Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses kann der Handelsvertreter vom Unternehmer gemäß § 89b (1) Handelsgesetzbuch (HGB) unter bestimmten Voraussetzungen einen „angemessenen Ausgleich“ verlangen. Eine der Voraussetzungen für einen Ausgleich ist, dass der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit „ neuen Kunden“, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat.
Anders als man annehmen könnte, kann auch ein Bestandskunde des Unternehmers ein neuer Kunde im Sinne von § 89b (1) HGB sein. Die Vorschrift stellt ausdrücklich klar, dass es der Werbung eines neuen Kunden gleichsteht, „wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. Mit anderen Worten: ein Bestandskunde kann ein Neukunde sein.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun Gelegenheit, mit Urteil vom 6.10.2016, Aktenzeichen VII ZR 328/12, in Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) näher zu bestimmen, wann ein Bestandskunde ein Neukunde ist. Ausgangspunkt für die Beurteilung dieser Frage sind die Waren, mit deren Vermittlung der Handelsvertreter beauftragt war. Der BGH stellt zunächst klar: Wenn der Handelsvertreter mit dem Vertrieb bestimmter Waren beauftragt war, dann schließt der Umstand, dass der Unternehmer andere Waren bereits an einen Kunden vertreibt, nicht aus, dass dieser Kunde für die vom Handelsvertreter vertriebenen Waren ein Neukunde ist.
Das bedeutet aber nicht, dass dieser Bestandskunde zwangsläufig als Neukunde zu betrachten ist. Das ist nur dann der Fall, wenn „der Vertrieb der in Rede stehenden Waren vonseiten des betreffenden Handelsvertreters Vermittlungsbemühungen und eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung, insbesondere soweit diese Waren zu einem anderen Teil der Produktpalette des Unternehmers gehören, erfordert hat“.
Ob das der Fall ist, lässt sich im Einzelfall häufig schwer feststellen und beweisen. In dem ihm zur Entscheidung vorgelegten Fall hielt der BGH das aber für möglich und hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Handelsvertreter war mit dem Vertrieb bestimmter Marken von Brillengestellen an Optiker befasst, die bereits Gestelle anderer Marken vom Unternehmer bezogen. Wegen des teilweise sehr unterschiedlichen Images von Brillenmarken scheint es durchaus denkbar, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Neukunden vorliegen.
Sie sind Unternehmer oder Handelsvertreter und fragen sich im Zusammenhang mit der Ermittlung eines Ausgleichsanspruchs, ob bestimmte Kunden „Neukunden“ im Sinne von § 89b HGB sind? Wir unterstützen Sie bei der Beurteilung dieser Frage und vertreten Sie erforderlichenfalls bei der Durchsetzung Ihrer Rechte.
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