Umgehung des anwendbaren Erbrechts durch Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts

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In Erbsachen wird die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht seit dem 17. August 2015 durch die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4. Juli 2012, als Europäische Erbrechtsverordnung oder EuErbVO bezeichnet, bestimmt. Diese Verordnung hat das Recht stark vereinfacht. Seither ist sowohl für die Zuständigkeit, als auch für das anwendbare Recht grundsätzlich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers maßgeblich.

In Erbsachen sind grundsätzlich die Gerichte des Staats zuständig, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Entgegen dem ersten Eindruck ist die Ermittlung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers jedoch nicht immer ganz einfach. Zwar definiert die Verordnung den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nicht, sie gibt jedoch in ihrem Erwägungsgrund (23) Hinweise darauf, wie dieser Begriff zu verstehen ist.

Nach Erwägungsgrund (23) erfordert die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes. Dabei sollen alle relevanten Tatsachen berücksichtigt werden, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. In dem Erwägungsgrund wird klargestellt, dass der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen soll.

Ein Erblasser, der sich in den Monaten vor seinem Tod in einem anderen Staat niederlässt, begründet dort nicht unbedingt einen gewöhnlichen Aufenthalt.

Dass mit dieser Regelung Maßnahmen, die auf die Umgehung eines bestimmten Erbrechts gerichtet sind, die rechtliche Wirkung versagt werden kann, veranschaulicht ein Urteil des französischen Kassationshofs (Cour de cassation) vom 12.07.2023, Cass. civ. 1re du 12 juillet 2023, ECLI:FR:CCASS:2023:C100485.

In dieser Sache war der Erblasser in zweiter Ehe verheiratet, hatte jedoch aus erster Ehe zwei behinderte Töchter. Ein paar Monate vor seinem Tod verlegte der Erblasser seinen Wohnsitz von Frankreich nach Portugal. Nach portugiesischem Erbrecht waren die Rechte seiner Töchter an seinem Nachlass wesentlich geringer, als nach französischem Recht. Die Töchter, vertreten durch ihre Mutter, klagte vor einem französischen Gericht ihre Rechte nach französischem Recht ein.

Der Kassationshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass französische Gerichte zuständig sind. Er stellte fest, dass verschiedene Merkmale, wie das Vorhandensein einer Immobilie in Frankreich und die Eintragung in französischen Wählerlisten, den Schluss zuließen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bei Eintritt des Erbfalls in Frankreich lag.

Nachdem französische Gerichte nun zuständig sind, haben diese darüber zu entscheiden, welche Rechte den behinderten Töchtern des Erblassers aus erster Ehe zu stehen.

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Ihr deutsch-französischer Rechtsanwalt für französisches Erbrecht in Hamburg.

 Achtung: Dieser Beitrag enthält nur allgemeine Hinweise und ersetzt keinesfalls eine Beratung im Einzelfall. Dieser Beitrag gibt die Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erstellung wieder, spätere Änderungen der Rechtslage sind nicht berücksichtigt. Sprechen Sie uns an!

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