Wann braucht der Nachlassverwalter eine Genehmigung des Nachlassgerichts?

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Die Nachlassverwaltung ist eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger, § 1975 BGB. Da es sich bei der Nachlassverwaltung also um eine Pflegschaft handelt, kommt über § 1888 Abs. 1 BGB, eine Regelung des Pflegschaftsrechts, grundsätzlich das Betreuungsrecht zur Anwendung. Im Betreuungsrecht ist in § 1849 BGB geregelt, dass der Betreuer für bestimmte Verfügungen der Genehmigung bedarf. Dem Nachlassverwalter werden Genehmigungen vom Nachlassgericht erteilt, § 1962 BGB.

Die Regelungen über die Betreuung sind für die Nachlasspflegschaft nicht immer passend. Es stellt sich die Frage, ob der Nachlassverwalter für die in § 1849 BGB geregelten Verfügungen der Genehmigung des Nachlassgerichts bedarf, oder ob der diese Verfügungen ohne Genehmigung vornehmen darf. Zur Klärung dieser Frage trägt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9.12.2022, Aktenzeichen V ZR 68/22, bei.

Zweck der Nachlassverwaltung ist eine Befriedigung der Nachlassgläubiger.

Der BGH stellt klar, dass sich die Aufgabe des Nachlassverwalters grundlegend von der Aufgabe eines Vormunds oder eines Nachlasspflegers unterscheidet. Während letztere vorranging die Interessen des Mündels bzw. des Nachlasses im Blick haben müssen, stehen für den Nachlassverwalter die Nachlassgläubiger im Mittelpunkt.

Auf die Nachlassverwaltung sind die Regeln über die rechtliche Betreuung nur anwendbar, soweit sie mit dem Zweck der Nachlassverwaltung vereinbar sind.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger, ein Nachlassverwalter, den Rücktritt von einem Erbbaurechts-Überlassungsvertrag erklärt, den die Erblasserin mit dem Beklagten geschlossen hatte, und dann auf Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch geklagt. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht die Genehmigung des Nachlassgerichts eingeholt hatte. Diese wäre nach § 1812 BGB alter Fassung, heute in leicht geänderter Form § 1849 BGB, notwendig gewesen.

Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben. § 1812 BGB, der eine Genehmigungspflicht vorsah, sei zwar nach seinem Wortlaut anwendbar, jedoch sei seine Anwendung mit dem Zweck der Nachlassverwaltung unvereinbar, weshalb die Vorschrift „teleologisch zu reduzieren“ sei, was bedeutet, dass die Vorschrift in Anbetracht des Zwecks (telos) der Nachlassverwaltung doch nicht anzuwenden sei. Der Nachlassverwalter müsse von dem Vertrag zurücktreten können, ohne vorher die Genehmigung des Nachlassgerichts einholen zu müssen.

Der Nachlassverwalter bedarf bei Verfügungen nicht generell der Genehmigung des Nachlassgerichts.

Die Regelung, auf die sich der BGH bezieht, wurde allerdings inzwischen geändert. An die Stelle des bisherigen § 1812 BGB ist § 1849 BGB getreten, der nicht mehr bei jeder, sondern nur bei bestimmten Verfügungen über Forderungen eine Genehmigung voraussetzt. Der BGH geht offenbar davon aus, dass auch § 1849 BGB auf die Nachlassverwaltung nicht anwendbar ist. Ob allerdings § 1849 BGB teleologisch zu reduzieren ist, ist eine Frage des Einzelfalls.

Ein Nachlassverwalter verfügt über eine Forderung des Erblassers, ohne dass eine Genehmigung des Nachlassgerichts vorliegt. Gerne prüfen wir, ob die Verfügung wirksam ist, und setzen Ihre Rechte gegen den Nachlassverwalter durchc.

Ihr deutsch-französischer Rechtsanwalt für französisches Erbrecht in Hamburg.

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