Ist ein Beratungsvertrag einer Aktiengesellschaft (AG) mit einem Mitglied des Aufsichtsrats ohne weiteres wirksam? Ein ungutes Gefühl hat man bei solchen Verträgen, weil der Aufsichtsrat den Vorstand der AG kontrollieren soll und der Beratervertrag eine Abhängigkeit begründen kann, die mit einer objektiven Kontrolle des Vorstands unvereinbar ist.
Beraterverträge zwischen Aktiengesellschaften und einem Aufsichtsratsmitglied bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats.
Das ungute Gefühl wird vom Gesetzgeber geteilt, der in § 114 (1) Aktiengesetz (AktG) bestimmt hat, dass die Wirksamkeit solcher Verträge von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängt. Was gilt aber, wenn der Vertrag nicht vom Aufsichtsratsmitglied selbst, sondern von einer Gesellschaft abgeschlossen wird, deren Vorstandsvorsitzender das betreffende Aufsichtsratsmitglied ist? Ist das nicht ein Umgehungsgeschäft, das ebenfalls unwirksam ist?
Diese Frage war hochumstritten. In einem Urteil vom 29.6.2021, Aktenzeichen II ZR 75/20, hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) der Auffassung angeschlossen, dass ein solches Geschäft als Umgehungsgeschäft analog § 114 (1) AktG unwirksam ist, solange der Aufsichtsrat ihm nicht zugestimmt hat.
Entgegen dem Wortlaut von § 114 (1) AktG bedürfen auch Umgehungsgeschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats.
In dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, hatte die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, einen Beratungsvertrag mit einer anderen AG geschlossen, deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte war, der zugleich Aufsichtsratsmitglied der Klägerin war. Die Klägerin klagte gegen den Beklagten auf Zahlung der geleisteten Beratervergütung. Das Landgericht Essen wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Hamm gab ihr statt. Der BGH bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts.
Der BGH nahm an, dass § 114 (1) AktG, der nach seinem Wortlaut nur für Verträge mit einem Aufsichtsratsmitglied gilt, analog auf Verträge mit juristischen Personen anwendbar ist, deren gesetzlicher Vertreter ein Aufsichtsratsmitglied ist. Der Fall ist in § 115 (3) AktG für Kreditgewährungen an Aufsichtsratsmitglieder ausdrücklich geregelt. Die Gründe für die Regelung in § 115 (3) AktG seien auf § 114 AktG übertragbar.
Bei Umgehungsgeschäften trifft die Pflicht zur Zurückgewährung einer Vergütung das Aufsichtsratsmitglied selbst.
Da der Aufsichtsrat nicht zugestimmt hatte, hatte die Klägerin gemäß § 114 (2) 1 AktG analog einen Anspruch auf Zurückgewährung der Vergütung gegen den Beklagten, und nicht etwa gegen die Gesellschaft, deren Vorstandsvorsitzender er war und die den Vertrag abgeschlossen und die Vergütung erhalten hatte. Zur Begründung wies der BGH darauf hin, dass es Zweck der Regelung sei, Aufsichtsratsmitglieder an Umgehungsgeschäften zu hindern, und entsprechend die Sanktion das Aufsichtsratsmitglied treffen müsse.
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Ihr Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht in Hamburg.
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